InsurTechs – was hat der Kunde davon?

Die Probleme der vermeintlich innovativen, digitalen Versicherungsunternehmen

Dr. Jürgen Cramer, Düsseldorf

InsurTechs erwecken den Anschein, sie seien hoch im Trend. Als seien sie über kurz oder lang auf dem Versicherungsmarkt die einzige Option. Die gesamte Versicherungsbranche wollen sie revolutionieren und dadurch fit machen für den digitalen Fortschritt. So zumindest der Grundgedanke. Der Abschluss einer Versicherung soll vereinfacht werden. Ein paar Mal auf das Smartphone getippt – und schon ist man Besitzer eines neuen Versicherungsschutzes. Und genauso schnell und unkompliziert hat man einen Vertrag auch wieder gekündigt. Oder eben einen Schadenfall gemeldet. Dem Internet sei Dank. Kein Papierkrieg, keine geröteten Ohren vom Telefonhörer. Durch den Einsatz von Technologie-Innovationen sollen Versicherungsmodelle effizienter und für den Kunden kostensparender werden.

Deutsche InsurTechs konnten allein im ersten Halbjahr 2019 deutlich mehr Kapital einsammeln als im gesamten Vorjahr – nämlich 270 Millionen US-Dollar. 2018 waren es noch 153 Millionen US-Dollar. Doch der Schein trügt. Im globalen Vergleich sind die deutschen Entwicklungen des digitalen, innovativen Versicherungsmarkts nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Und der Gründungsboom flacht auch schon wieder ab. Das liegt insbesondere auch an den Kunden selbst: Viele von ihnen erkennen keinen Nutzen in den neuen Versicherungstechnologien und stehen der Modernisierung skeptisch gegenüber. Augenscheinlich gelingt es vielen Geschäftsmodellen nicht, die viel gepredigte „Customer Centricity“ auch wirklich umzusetzen.

Attraktive Partner für Versicherungskunden

Um herauszufinden, was der Kunde wirklich will, hat die Sparkassen DirektVersicherung (S-Direkt) eine Umfrage auf ihrer Homepage durchgeführt. Die Frage lautete: „Wo oder wie würden Sie wahrscheinlich Ihre nächste Autoversicherung abschließen?“ Bei der Beantwortung waren Mehrfachnennungen möglich.

Das Ergebnis ist eindeutig: Mehr als zwei Drittel der Umfrageteilnehmer gaben an, die nächste Autoversicherung online beziehungsweise telefonisch bei einer Direktversicherung wie der S-Direkt abschließen zu wollen. Und über ein Drittel sprach sich für Vergleichsportale im Internet aus. Auf Platz drei rangiert die Versicherungsfiliale mit direktem Ansprechpartner – allerdings mit erstaunlich weitem Abstand. Die Erhebung ist zwar nicht repräsentativ, da sie auf der Homepage der S-Direkt (sparkassen-direkt.de) durchgeführt wurde und mutmaßlich eher direktvertriebsaffine Kunden daran teilgenommen haben. Bei einer Befragung auf einem Vergleichsportal wären die beiden Siegerpositionen vielleicht umgedreht ausgefallen. Nichtsdestotrotz zeichnet sich ein klares Ergebnis in Bezug auf InsurTechs ab: Selbst die direktvertriebsaffinen Kunden sprechen sich lediglich zu acht Prozent für Google, Amazon oder FinTech aus. Letztere sind mit einem Prozent Zuspruch noch hinter Google (vier Prozent) und Amazon (drei Prozent) das Schlusslicht. Nach einem neuen Trend sieht das nicht aus.

Qualität und fachgerechte Beratung fehlen

Und das hat durchaus seine Gründe. InsurTech-Unternehmen werben mit niedrigen Preisen, simplen und schnellen Verfahren via Smartphone, individuell zugeschnittenen Angeboten dank künstlicher Intelligenz, hoher Flexibilität, Transparenz und Autonomie des Kunden. Niedrige Preise stehen im Vordergrund; von Qualität und fachgerechter Beratung ist jedoch keine Rede. Ebenso mangelt es aus Sicht der Kunden oftmals an Informationen rund um die Maklervollmacht, an Dokumentation und an Datenschutz. Außerdem sind bereits etablierte Dienstleister im Versicherungsmarkt viel besser bekannt. Bekannte Marken schlagen sich dann in geringeren Kunden-Akquisekosten nieder. Es ist nicht gerade leicht, diesen Vorteil allein durch moderne Technologie in den Schatten zu stellen.

Skepsis und wenig Vertrauen in InsurTechs

Kunden in der Versicherungsbranche setzen oftmals auf bestehende Konzepte. Sie wollen gut beraten werden und beim Abschluss einer Versicherung das Gefühl haben, im Schadenfall kompetent und zuverlässig betreut zu werden. Dazu gehören persönliche Ansprechpartner. Wenn Kundenkommunikation ausschließlich digital stattfindet, fehlt aber genau das. Der Chatbot als alleiniger Kommunikationspartner ist nicht gewünscht. Der Mangel an persönlichen Gesprächen kann auch durch die Autonomie und Flexibilität, die ein Vertragsabschluss per Smartphone ermöglicht, nicht aufgewogen werden. Dazu sind etliche Kunden skeptisch, ob InsurTechs tatsächlich vertraut werden kann, ob der angepriesene Service komplikationslos funktioniert, und ob solche Unternehmen überhaupt langfristig überleben werden.

Eine Mischung aus innovativer Technologie und herkömmlicher Kundenberatung wie bei der S-Direkt zeigt sich daher als zukunftsweisender als jede Versicherungs-App. Kunden der S-Direkt gaben in einer weiteren Umfrage an, dass ihnen direkter Kontakt zum Versicherungsunternehmen besonders wichtig sei. Freundlichkeit, Kompetenz und Schnelligkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das, was eine etablierte Versicherung mit prämiertem Service auszeichnet. Erst durch solch einen Kontakt können maßgeschneiderte und individuelle Versicherungspakete geschnürt werden. Das wird sich in vielen Beratungssituationen auch in Zukunft nicht ändern. Ob online, per Videoberatung, telefonisch oder direkt vor Ort: Die Beratung wird im Versicherungswesen auch künftig ganz vorne stehen.

Es ist kein Geheimnis, dass die Digitalisierung auch die Versicherungsbranche vor neue Möglichkeiten und Herausforderungen stellt. Veränderungen dürfen aber nicht zu Lasten von Qualität und Verbrauchern durchgeboxt werden. Vor diesem Hintergrund kann man guten Gewissens sagen: Die Konkurrenz durch InsurTech-Unternehmen steckt noch in den Kin-derschuhen. Überhaupt werden die InsurTechs wohl eher zu Kooperationspartnern von klas-sischen Versicherern und Vertriebsplattformen heranwachsen als zu Revolutionären. Denn langfristig gesehen gilt es, das solide erlernte Knowhow des Versicherungshandwerks mit den Bedürfnissen des digitalen Zeitalters zu verbinden. Gelingt dieser Spagat, werden die klassischen „Incumbents“ im Versicherungsmarkt so schnell nicht um ihre Bedeutung bangen müssen.

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